Wie im letzten Blogpost angekündigt (siehe Das geht dann irgendwie über das Netzwerk ) möchte ich mich heute ein wenig den Transportmechanismen im IoT widmen.
„Das Internet“ gibt es in allerlei Ausprägungen wie z.B. ADSL oder WLAN-Funknetzwerke. Beiden gemeinsam ist jedoch die Tatsache, dass sie ursprünglich nicht für IoT-Anwendungen konzipiert wurden. Trotzdem erfreuen sie sich aufgrund der enormen Verbreitung hoher Beliebtheit.
Anforderungen an IoT-Netzwerke
Für die überwiegende Mehrzahl der klassischen IoT-Applikationen gelten folgende Anforderungen. Wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel.
- Der Bandbreitenbedarf ist im Vergleich zu anderen Anwendungen sehr oft dramatisch geringer. Selbst häufige Update z.B. eines Temperatur-Sensors lässt die Datenrate im Mittel auf nicht mehr als wenige Bytes/Sekunde steigen.
- Der Energieverbrauch ist ein wichtiges Thema. Ganz abgesehen von „grünen“ Gründen sind Argumente wie Batterie-Betrieb, maximale Batterie-Lebensdauer und natürlich der Preis sehr wichtig.
- Die Empfangsstärke. Sensoren sind „überall“. Auf dem weiten Feld abseits von städtischer Infrastruktur ebenso wie fix verbaut in einer Maschine, die im Keller steht. Folglich kann es durchaus sinnvoll sein, dass nicht jeder Sensor direkt angekoppelt ist, sondern ein sogenanntes IOT-Gateways die verteilten Sensoren über ganz andere (z.B. Nahbereichs-Funktechnik-) Schnittstellen „einsammelt“ und dann gebündelt weiterleitet. Findet in diesen Gateways auch noch lokale Datenverarbeitung statt, spricht man von IoT-Edge-Computing (siehe auch hier).
Transportmechanismen im IoT
Abgesehen von LAN und GSM gelten zum jetzigen Zeitpunkt sich die folgenden drei Technologien als die aussichtsreichsten Kandidaten für die großflächige IoT-Vernetzung.
Grundsätzlich Unterscheidungen
Ein ganz wesentlicher Unterschied gleich zu Beginn: Während Sigfox und LoRa „unabhängige“ Funkstandards sind, also eine vollkommen neue und in sich geschlossene Infrastruktur darstellen, kann man NB-IoT (Narrowband IoT) als Erweiterung herkömmlicher Mobilfunk-Netze sehen. Damit ist auch schon sehr klar, welche Marktteilnehmer auf welche Technologien setzen.
Sigfox und LoRa setzen auf das weltweit frei nutzbare ISM-Band (868 MHz in Europa, 902 MHz in den USA ). Theoretisch kann man LoRa auch auf anderen Frequenzen betreiben, praktische Bedeutung haben aber nur die als LoRaWAN bekannten Netze im ISM-Band.
Damit ist eine sehr gute Durchdringung (wichtig für Inhouse-Empfang!) gewährleistet, die Airtime der einzelnen Teilnehmer ist aber zeitlich begrenzt! Diese auch unter Duty Cycle bekannte Vorschrift beschränkt die maximale Sendezeit eines einzelnen Gerätes auf max. 1 % einer Stunde (= 36 Sekunden in einer Stunde). Die Geräte dürfen bei Erreichung des 1 %- Limits nicht mehr senden, müssen also eine Übertragungspause einlegen. Firmware-Updates und andere größere Datenpakete können so nur sehr langwierig übertragen werden. Da die zentralen Basis-Stationen streng genommen auch nur „Teilnehmer“ sind, gilt folglich dieser Duty Cycle auch für sie!
Für die hartgesottenen Freunde der deutschen Sprache:
Der korrekte Terminus für Duty Cycle ist übrigens „Relative Frequenzbelegungsdauer“.
In anderen Worten: Dies ist der Preis, den man zahlen muss, um das „frei für alle“ ISM-Frequenzband nutzen zu dürfen. Wesentlichste Grundlage dieses Frequenzbereiches ist es ja, dass es jeder ohne Bewilligung, Registrierung oder Kosten nutzen darf. Aber eben nur zu diesen Regeln.
Für Sigfox und LoRa stellt das normalerweise keine allzu große Einschränkung dar, weil die Zielgruppe WENIGE BYTES im Abstand von VIELEN MINUTEN versendet! Über diesen „kleine Geheimnis“ wird (bei den Mitbewerbern) viel gestritten und (bei den Kunden) wenig gesprochen. Dass Mobilfunk-Betreiber hier den Finger in die Wunde legen, ist nur zu verständlich.
Spezifika der einzelnen Technologien
Sigfox
Standard-Sigfox Verträge bieten 140 Nachrichten zu je max. 12 Bytes oder anders gesagt ca. 1 Datenpaket alle 10 Minuten. (Sie erinnern sich an den Absatz über Duty Cycle weiter oben?). Im Vergleich zu anderen Technologien ist das Ziel, die Kosten des Endpunktes möglichst gering zu halten. Dass dafür im Gegenzug die zentralen Basis-Stationen aufwendiger sind, wird bewusst in Kauf genommen.
Genaugenommen ist Sigfox aber keine Technologie sondern eine Firma aus Frankreich! Ihr gehört „ALLES“, also die Patente, die Software, auch die Cloud-Server des Backends und in manchen Ländern (z.B. Frankreich und USA) sogar die gesamte Infrastruktur inkl. Funktower! In anderen Märkten gibt es je Land jeweils nur einen Exklusiv-Lizenznehmer, die die Netzwerke aufbauen und betreiben.
Sigfox stellt die Basis-Software für die Entwicklung von Endpunkten zur Verfügung. Man hofft darauf, dass sich ein Ecosystem aus Chipherstellern bildet, welche interessante und konkurrenzfähige Module herstellen. Jeder ist willkommen, solange er sich an die Lizenzregeln hält. Aktuell bauen STMicroelectronics, Atmel, and Texas Instruments SigFox Radio-Chips.
Das Ziel ist recht klar: Je billiger der Endpunkt umso schneller die Marktdurchdringung. Andererseits verhindert der strikte Gebietsschutz der Provider jeglichen Wettkampf In Sachen Gebühren und Service.
Man stelle sich nur einmal vor, es gäbe in jedem Land nur einen einzigen Mobilfunkbetreiber!
Sigfox lebt von Lizenzgebühren der Technologie sowie den Nutzungsgebühren für das Backend-Netzwerk. Dass hier eine private Firma alle Zügel in der Hand hält, darf durchaus kritisch gesehen werden, andererseits muss sich Sigfox mit Niemandem abstimmen. Dies sollte für eine schnellere TimeToMarket sorgen; vorausgesetzt man kann die finanzielle Belastung eines Alleingangs auch stemmen.
LoRa bzw. LoRaWAN
Widmen wir uns dem zweiten der drei Transportmechanismen im IoT. LoRa-Basis-Stationen und Endpunkte sind beide recht günstig und ähneln sich sehr. Die Infrastruktur kostet im Verhältnis zu Sigfox also deutlich weniger. Daraus folgt, dass auch kleinere LoRa-Zellen wirtschaftlich sein können.
Die Technologie ist nicht proprietär, d.h. sobald man Mitglied der LoRa Alliance ist, erhält man die Spezifikation und kann mit dem Bau von LoRa-Geräten starten. Alternativ kauft man fertige Radio-Module, bei denen die Lizenzgebühren schon vom Chip-Hersteller abgeführt wurden. Diese Vorgangsweise ist bereits von Technologien wie z.B. Bluetooth oder HDMI bekannt. Der Weg über eine Industry-Alliance verspricht einen breiten Konsens, dauert aber mit Sicherheit länger als ein „Diktat“ einer einzelnen zentralen Instanz.
Im Gegensatz zur Exklusivität der Netzwerk-Provider bei Sigfox wünscht sich die LoRa Alliance möglichst viele, durchaus konkurrierende Infrastruktur-Betreiber in jedem Land. Vom kleinen Startup bis zum multinationalen Telecom-Provider; prinzipiell sind alle willkommen. LoRa-Netze müssen auch nicht zwangsweise an das Internet angebunden sein oder eine bestimmte Cloud-Infrastruktur nutzen.
Narrowband IoT (NB-IoT)
Wie schon weiter oben ausgeführt, ist NB-IoT eine Erweiterung/Unterart der allseits gekannten GSM-Mobilfunknetze (Details siehe hier ). Daher verwundert es auch nicht, dass in NB-IoT Modulen SIM-Karten stecken oder diese per e-SIM (embedded SIM) emulieren.
Technisch kann man sich NB-IoT als eine Art Miniatur-LTE vorstellen. Anstatt vieler MB/s und Latenzen im Bereich von wenigen Millisekunden sind es bei NB-IoT aktuell nur max. 20 bzw. 250kbit/s (je nach Modus) und Latenzen zwischen 1,5 und 10 Sekunden! Dies steigert natürlich die Anzahl der Endgeräte je Basis-Station, senkt aber nicht zwangsläufig die Energiekosten.
Böse Zungen spotten daher, dass NB-IoT nur dann Daten überträgt, wenn der Mobilfunk-Provider seine Kapazität gerade nicht anderweitig (und teurer!) verkaufen kann. Eine Latenzzeit von bis zu 10 Sekunden deutet in der Tat darauf hin, dass NB-IoT ein Lückenbüßer ist. Im Gegenzug erhält man die (zumindest in Österreich!) ausgezeichnete Abdeckung der Mobilfunk-Netze und hoffentlich niedrige Kosten, denn bestehende Mobilfunk-Infrastruktur kann weiterverwendet werden.
Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass NB-IoT von den klassischen GSM-Netzwerk-Anbietern ausgerollt wird. In Österreich und Deutschland z.B. seit Kurzem von T-Mobile (siehe hier und hier hier ) oder auch von Vodafone (siehe hier).
Zusammenfassung
Dieser Artikel soll Ihnen zeigen, dass es auch abseits des 5G-Gigabit-Wettlaufs durchaus interessante Entwicklungen im Bereich Funknetzwerke gibt. Für viele IoT Anwendungen ist die übertragbare Bandbreite von absolut untergeordneter Bedeutung. Vielmehr sind Energieverbrauch, langfristige Verfügbarkeit und niedrige Kosten die wesentlichen Entscheidungskriterien.
Mit den drei vorgestellten Transportmechanismen im IoT Sigfox, LoRa und NB-IoT wurden die wesentlichsten Player angesprochen. Die Zukunft wird zeigen ob sich einer der drei durchsetzen wird, eine Koexistenz mehrerer Netzwerke gelingt oder eine gänzlich neue Technik alle überflügeln wird. Wie immer liegt die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Und das Allerwichtigste sei nochmals am Schluss erwähnt: Ohne vernünftige Sensoren und die nachgelagerte Analyse nützt das schönste IoT-Netzwerk nichts! ?
Wie immer freue ich mich auf Ihre Kommentare hier im Blog oder in den sozialen Netzen.