Mittlerweile haben schon viele Organisationen das eine oder andere IoT-Pilotprojekt realisiert. Die Ergebnisse waren jedoch nicht immer so grandios positiv, wie ursprünglich erhofft. Woran mag das liegen? Nachfolgend nun aus meiner ganz persönlichen Sicht die drei wichtigsten Erfolgskriterien für IoT-Projekte. Und diesmal auch ganz und gar nicht technisch oder akademisch, sondern ganz bodenständig und unverblümt.
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Wer ist für das Erfassen der Daten überhaupt zuständig?
Man könnte auch ein wenig pointierter fragen: Wer wer zahlt das Projekt?
Recht schnell ist man versucht, hier Team-Effort zu rufen, also alle müssen etwas beitragen. Prinzipiell auch ganz richtig, aber schon im allernächsten Meeting wird leise nach der Kostenstelle gefragt, auf die alles Kommende zu verbuchen ist.
Wer hat nun den sprichwörtlichen Hut auf? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Mögliche Projekt-Eigentümer sind:
Das betroffene Business selbst.
Diese Variante ist recht naheliegend. Die Zuständigen für die Maschine, für den Prozess selbst, sind es, die für die Datenakquise verantwortlich sind inkl. aller damit verbundenen Kosten. Ohne jetzt irgendwem nahetreten zu wollen, sollte es offensichtlich sein, dass dies keine gute Idee ist. Allzu leicht werden dann IoT-Projekte in eine Richtung gedrängt, „heiße“ Eisen werden nicht konsequent angegriffen oder (der Klassiker!) bei einem kleinen Pilotprojekt wird „überraschenderweise“ nichts fundamental Neues gefunden. Die Warum-machen-wir-das-überhaupt-Frage folgt und das Projekt entschlummert wieder sanft und rückstandsfrei.
Das Controlling
Klingt logisch, schließlich wird der Wunsch nach Optimierungen in den allermeisten IoT-Projekten als primärer Treiber genannt. Und das Controlling hat jede Menge Erfahrung darin, sich „einzumischen“, eine etwas unfeine Beschreibung für das neutrale Hinterfragen, Dokumentieren und Bewerten. Nicht immer ist das Controlling jedoch darin geübt, Investitions-Projekte zu leiten, also erst einmal Geld auszugeben.
Stabsstelle Innovation und Digitalisierung
Akteull sehr beliebt in großen Unternehmen sind Abteilungen namens Digitalisierung oder Innovationsmanagement. Diese sind meist ganz nahe am Top-Management angesiedelt, agieren andererseits oft weit weg vom operativen Tagesgeschäft. Die Akzeptanz bei der restlichen Mannschaft ist öfter durchaus endenwollend, weil viele Innovations-Manager bewusst oder unbewusst den aktuellen Ist-Zustand prinzipiell für veränderungsbedürftig halten. Disruption um jeden Preis kommt aber nicht so gut an bei Jenen, die Tag für Tag den Laden produktiv am Laufen halten.
Quality Management
Sehr oft hat sich herausgestellt, dass die Abteilung Quality Management ein sehr guter Kandidat für die Leitung von IoT-Projekten ist. QM-Menschen sind es gewohnt, bestehendes aktiv zu hinterfragen ohne gleich alles schlecht zu reden. Sie sind, ob nun willkommen oder nicht, in allen Abteilungen bekannt und üblicherweise auch gut im Sammeln, Aufbereiten und Vermitteln von datenbasierten Fakten. Gute QM-Leute schaffen das auch, ohne den produktiven Betrieb lahm zu legen.
Wie auch immer Sie es konkret machen, beginnen Sie also mit der scheinbar banalen Frage:
Wer ist für das IoT-Projekt zuständig?
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Woher kommt die Expertise, aus den erfassten Daten konkrete Schlüsse zu ziehen?
Diese Frage hat es durchaus in sich! Moderne Technologien haben es sehr einfach gemacht, mit überschaubaren Kosten Unmengen an Daten zu sammeln. Und dann? Ganz unabhängig von der mindestens ebenso wichtigen Frage, welche Daten wir überhaupt sammeln wollen, ist die nachfolgende Bewertung derselben ein essentieller Baustein. Daher muss sich ein Kunde ganz offen folgende Fragen stellen:
Habe ich die nötige Expertise schon im Haus und auch längerfristig verfügbar? Gibt es externe Konsulenten, die mir dabei helfen können? Woher bekomme ich Benchmark-Daten, d.h. Vergleichsdaten, die bei der Bewertung der eigenen Daten helfen oder diese überhaupt erst ermöglichen? Und ganz wichtig: Wie objektiv sind diese Experten, egal ob intern oder extern?
In diesem Kontext hört man in letzter Zeit immer öfter Künstliche Intelligenz und Machine Learning. Die Buzzwords KI und ML sind die neuen Allzweckwaffen der digitalisierten Zeit.
Gerade Technologien wie ML sind aber extrem davon abhängig, vorher mit einem intelligenten Modell gefüttert zu werden. Ob dies nun eigene Data Scientists machen, die wohl im Moment gefragteste Berufsgruppe weltweit, oder ob man diese Expertise „as a Service“ in der Cloud zukauft (siehe hier), oder ganz klassisch einem Konsulenten mit großem fachspezifischem KnowHow beauftragt; von irgendwo her muss die Expertise kommen. Verfügbar, bezahlbar und möglichst objektiv und unabhängig.
Fassen wir zusammen:
Das pure Vorhandensein von vielen Daten ist noch lange kein Ergebnis!
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Haben wir die gewonnenen Erkenntnisse überhaupt eine Chance auf Umsetzung?
Wenn Sie dachten, die zweite Frage ging schon unangenehm unter die Haut, dann habe ich keine guten Nachrichten. Noch sind wir nicht am Ziel.
Wir haben nun die richtigen Messwerte ausgewählt, diese bestmöglich erfasst, ordentlich analysiert und sind schlussendlich zu einem Ergebnis gekommen. Die logische Folge wäre es jetzt, mit einer konkreten Handlungsanweisung die Feedback-Schleife zu schließen, die Erkenntnisse also wieder in den ursprünglichen Prozess zurückzuführen um diesen nachhaltig zu verbessern. Welchen Zweck hätte die Übung sonst gehabt?
Wenn man das Ergebnis ohnehin schon vermutet hat und sich schon vorab darauf eingestellt hat, ist das keine große Aufgabe. Was aber, wenn das Resultat wirklich Unerwartetes liefert? Wenn plötzlich bestehende Prozesse (und die dahinterstehenden Personen und Abteilungen!) gar nicht gut dastehen, wenn echte Probleme aufgezeigt werden?
Genau dann tritt ein solches Projekt in die alles entscheidende Phase ein. Es gibt nur zwei mögliche Varianten:
- Das Projekt hatte seit Beginn die volle Rückendeckung des Managements. Dann werden die Fakten als das gesehen, was sie hoffentlich sind, nämlich objektive Grundlagen für relevante Business-Entscheidungen. Der Zweck der Objektivierung wurde erfüllt und echter „Insight“ wurde erzielt; man ist klüger und setzt konkrete Handlungsschritte.
- Das IoT-Projekt war eher eine Fingerübung für eine überschaubare Benutzergruppe als ein strategisches Projekt. Dann verschwinden die gewonnenen Erkenntnisse in irgendeiner (virtuellen) Schublade oder sind im schlimmsten Fall die Basis für entsetzliche Grabenkämpfe zwischen unterschiedlichen Abteilungen.
Ein klares Erkennungszeichen für solch ein misslungenes IoT-Projekt ist es zum Beispiel, wenn ein ursprünglich erfolgreicher Pilot dann doch nicht in den Regelbetrieb überführt wird. Dann war es plätzlich doch „nur ein Pilot“ oder Proof of Concept. Bald legt sich dann der Mantel des Schweigens darüber und viel mehr als ein „ja, das haben wir einmal als Pilotprojekt gemacht, ist aber nix Konkretes dabei rausgekommen“ bleibt nicht in Erinnerung.
Daher mein Aufruf:
Bitte versorgen Sie IoT-Projekte, und seien sie auch noch so klein, von Beginn an mit dem nötigen organisatorischen Unterbau.
Klare Zuständigkeiten, ausreichende Seniorität im Projektmanagement und schon ganz am Anfang ein klares Bekenntnis dazu, die Ergebnisse auch wirklich zu verwenden, sorgen dafür, dass Misserfolge nach Möglichkeit vermieden werden.
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass dieser lange Artikel über die drei wichtigsten Erfolgskriterien für IoT-Projekte so ganz untechnisch war.
Und genau das wollte ich heute vermitteln: IoT hat nur am Rande mit Technik zu tun. Ja, Technik ist nötig und jede Menge kleiner und großer Computer sind dabei auch involviert, im Grund aber sind sie immer Business Projekte. Mit dem feinen Unterschied, dass manchmal die Erkenntnisse aus ganz anderen Ecken der Organisation kommen, als so mancher Altgediente es vermuten würde.
Ich lade Sie ein, diesen Artikel kritisch zu hinterfragen und mir Ihre Meinungen und Erfahrungen mitzuteilen. Hier im Blog oder auf den sozialen Netzen.