Die AWS Cloud von Amazon ist zweifellos eine der ganz großen IoT-Global Player. Gemeinsam mit Microsofts Azure Cloud zählt AWS mit Sicherheit auch zu den wichtigsten Innovationstreibern . Zurecht durfte man also gespannt sein, was es von der jährlichen Konferenz re:invent 2018 in Sachen Amazon Neuheiten bei der AWS IoT Cloud zu berichten gibt.
AWS IoT SiteWise
IoT SiteWise ist ein Managed Service, welches nicht in der Cloud, sondern auf dem Edge-Gateway, also auf der „Kundenseite“ sitzt. Soweit nichts Neues, EdgeComputing, bei AWS auch unter dem Namen Greengrass bekannt, gibt’s schon. Neu ist jedoch der Ansatz auf dem Gateway eine standardisierte Schnittstelle zwischen dem AWS IoT Cloud-Modell und z.B. der SPS/PLC-Welt zu schaffen. Mit dem SiteWise Model Builder werden physische Objekte wie Maschinen, Prozesse und Workflows inklusive Metadaten abgebildet, Templates im Idealfall nur mehr per Drag’n’Drop mit den jeweiligen Datenpunkten verknüpft.
Vorteil:
Anstatt abstrakter Datenpunkte arbeitet man mit Repräsentationen konkreter Maschinen und Prozesse. Daten aus unterschiedlichen Quellen können direkt am Gateway verknüpft werden (z.B. MIN, MAX, AVG) und dann in standardisierter Form an die IoT Cloud übermittelt werden. Jede Seite spricht in ihrer Sprache und SiteWise vermittelt zwischen den Welten.
Praktische Anwendung:
Bestehende Produktionslinien oder Maschinen können mit AWS SiteWise „cloudfähig“ gemacht werden indem der Hersteller einen Cloud-Connector bereitstellt, OHNE in seine eigene Steuerung eingreifen zu müssen oder „die Cloud bis in seine Maschine zu lassen“.
Betreiber von vielen ähnlichen Maschinen können sich auf ein grundsätzliches standardisiertes Datenmodell festlegen, welches dann mit einem einfach zu bedienenden Template an die jeweilige Anlage angepasst wird. Nicht ohne Hintergedanken wurden Energieversorger und Hersteller von Fertigungsmaschinen explizit als typische Kunden genannt.
Mein persönlicher Kommentar:
Ich bin mir fast sicher, dass AWS hofft, dass auch Industrievereinigungen standardisierte Software-Schnittstellen auf Basis AWS SiteWise erstellen. Nach „unten“ können dann die einzelnen Maschinenhersteller die nötige Logik für jeweils ihre Produkte schreiben, nach „oben“ sehen alle Maschinen gleich aus, was wiederum die Entwicklung von herstellerübergreifenden Cloud-Services erleichtert bzw. überhaupt erst rentabel macht. Das gute alte Wort „Branchenlösung“ schwebt im Raum.
AWS Greengrass Connector
Wie oben schon angesprochen, handelt es sich bei AWS Greengrass um alle jene Software-Teile, welche zwar von der Cloud aus administriert werden, aber lokal auf einem IoT-Device selbst oder auf einem Gateway laufen. Neu dazugekommen ist nun unter dem Namen AWS Greengrass Connector:
- Nutzung von Hardware als Speicher von Zertifikaten und Verschlüsselungsparametern
Viele Gateways verfügen über TPM (Trusted Platform Module) oder HSM (Hardware Security Modules) zum sicheren Ablegen dieser essentiell wichtigen Daten. - Die direkte Kommunikation mit dem AWS IoT Greengrass Secrets Manager soll die Verwaltung von Schlüsseln vereinfachen bzw. vereinheitlichen und so die Sicherheit von IoT-Gateways bei verringertem Aufwand und Komplexität erhöhen.
- Die Software-Interfaces der Container wurden erweitert, sodass auch andere Schnittstellen abgesehen von Ethernet vorhanden sind. Ein Docker Container kann so z.B. mit einem BLE (Bluetooth Low Energy) Chip kommunizieren.
- Ein neues Berechtigungs-System ermöglicht es auf dem gleichen Gateway zur gleichen Zeit unterschiedliche Zugriffsebenen in Sachen Berechtigungen zu orchestrieren.
Mein persönlicher Kommentar:
Böse Zungen könnten behaupten, dass AWS nun nachliefert, was manche Anwender bisher schmerzlich vermisst haben. Hersteller von Gateway-Boards mit Security Chips z.B. werden sich sicher freuen, dass AWS Greengrass diese nun auch nutzen kann.
Das erweiterte Berechtigungs-System kann sehr hilfreich sein, wenn auf einem Gateway unterschiedliche Container von unterschiedlichen Teams laufen sollen. Alles in allem eine Abrundung des Angebotes.
AWS IoT Events
Mit den AWS IoT Events lassen sich völlig unabhängig von der konkreten IoT-Applikation und deren Architektur sehr einfach Trigger und Schwellwerte definieren, welche vordefinierte Aktionen auslösen. Man kann sich dies auch als Wachhund vorstellen, welcher einen prüfenden Blick auf alle Daten wirft, welche aus dem Feld in die Cloud kommen.
Vorteil:
Auch wenn diese Eventlogik im Vergleich zu einer vollwertigen IoT-Anwendung deutlich einfacher ist, findet der Nutzer sicher viele „quick wins“. Vielleicht braucht es ja auch gar keine ausgewachsene Anwendung, wenn für den Anfang eine reine Schwellwert-Beobachtung ausreichend ist.
Mein persönlicher Kommentar:
Ich halte AWS IoT Events für einen sehr schlauen Schachzug. Lange bevor die Entwickler die eigentliche IoT Anwendung fertig entwickelt haben, ermöglichen ein paar rasch zusammengeklickte Event-Trigger schnelle Ergebnisse z.B. für ein Pilotprojekt.
Aber auch bei bestehenden Systemen sehe ich echte Vorteile: Man stelle sich vor, eine zweite Abteilung benötigt nun auch Zugriff auf einige der IoT-Daten. Anstatt nun den Product Owner des gesamten IoT-Projektes dazu zu bewegen, die Daten aus seiner großen Anwendung wieder herauszufischen und bereitzustellen, kann man die Daten einfach per IoT Events auf dem Weg in die ursprüngliche Anwendung „abzapfen“ und diese an andere Systeme weiterleiten, ohne auch nur eine Zeile Code im bestehenden Projekt ändern zu müssen.
AWS IoT Things Graph
Last but not least können mit dem AWS IoT Things Graph auch anspruchsvolle Workflows einfach per Drag’n’Drop und ein paar Mausklicks zusammengestellt werden. Ein visuelles Tool, das im Browser läuft, verknüpft die einzelnen Services und versteckt die darunterliegende Komplexität. Wer Systeme wie Node-RED kennt, wird sich sofort heimisch fühlen.
Vorteil:
Während früher solche visuellen Tools nur zur Modellierung verwendet wurden, die eigentliche Entwicklung aber trotzdem mit vielen Codezeilen in einer Hochsprache stattfinden musste, erlauben Systeme wie AWS IoT Things Graph nun „codefree programming“.
Mein persönlicher Kommentar:
Genauso wie Node-RED für eine Revolution in Sachen Programmierung von Webservices auslöste, hat AWS IoT Things Graph das Zeug, die Art und Weise wie IoT-Anwendungen in der Cloud erstellt werden, massiv zu verändern. Die einzelnen Module werden Lego-artig zusammengeklickt und ähneln so z.B. SPS-Programmen, die dem Industriekunden sehr vertraut sind. Ob die einzelnen Bausteine nun vorgefertigte AWS-Module sind, Eigenentwicklungen oder auch zugekaufte Auftragsarbeiten, macht für den Anwender keinen Unterschied.
Ausblick
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesem Blogpost einen ausführlichen Überblick über Amazon Neuheiten bei der AWS IoT Cloud liefern. Amazon hat diese im Rahmen der jährlichen re:invent Konferenz präsentiert und stellt diese nach und nach für alle Kunden bereit. Wie so oft sehe ich keine revolutionären Neuheiten, sondern viele kleine Schritte in die richtige Richtung. Ich freue mich auf Ihre Kommentare hier oder in den sozialen Netzen.