In Zeiten wie diesen führt ZOOM als ein führender Vertreter von Workspace Technology seine jährliche Konferenz ZOOMTOPIA 2022 natürlich auch als Hybrid-Event durch. Also begaben sich eine überschaubare Anzahl von Leuten nach San Jose in die USA und ein viel größerer Teil hinter Ihre Bildschirme und folgten remote.
Man muss es ehrlich sagen, die Stimmung bei der Eröffnungs-Keynote war eher bescheiden. Eine halbleere Halle und -70% Aktienkurs im letzten Jahr ergaben in Kombination mit überschaubar talentierten Sprechern und Gästen auf der Bühne einen wenig überzeugenden Start.
Zoomtopia 2022 Keynote
Trotzdem oder gerade deshalb muss man Zoom gratulieren. Dieses Unternehmen geht eisern seinen Weg und immer, wenn man glaubt, dass in diesem Markt schon alles erfunden ist, zaubert Zoom wieder eine Fülle an Neuerungen hervor. Nachfolgend eine Zusammenfassung der wichtigsten News für „meine“ Themen. Zusätzlich gab es noch viele andere Ankündigungen außerhalb meines direkten Kompetenzfeldes.
„Let’s do hybrid better“
Das ist der neue Zoom Spruch. Am Anfang stehen hier ganz grundsätzliche Fragen:
Was fehlt bzw. wo gibt es echte Schwachpunkte in einem hybriden Arbeitsumfeld?
Wo kann Technik helfen zu verbinden, statt zu trennen?
Das wahrscheinlich größte Problem in der hybriden Arbeitswelt ist der Mangel an zufälligen Begegnungen, an ungeplanten Interaktionen. Egal ob in der Kaffeeküche, im Waschraum, in Allgemeinbereichen wie der Lobby und ähnlichen Plätzen. All dies fehlt dem Remote-Worker. Interaktionen finden meist nur im Zuge von geplanten Meetings statt und da geht man meist gleich direkt ins Thema. 1:1 Kommunikation (meist nur per Chat) ist kein vollwertiger Ersatz.
Und genau hier setzt Zoom mit einem neuen Feature an.
ZOOM SPOTS
Zoom Spots bietet sogenannte Virtual Co-Working Spaces. Ich finde diese Beschreibung für nicht sehr gelungen, daher versuche ich es mit einer eigenen Beschreibung: Es sind Orte der (virtuellen) Begegnung. Unabhängig von geplanten Meetings bietet Zoom Spots Always-On Bereiche für spontane Mini-Besprechungen, an denen jeder teilnehmen kann.
Zoom Spots sind virtualisierte Orte wie z.B. Kaffeeküche oder Lobby. Jeder User im Unternehmen kann direkt im Zoom Client nicht nur eine Liste dieser Orte finden, sondern sieht auch gleich, wer sich dort aktuell aufhält. Genauso wie ihm realen Office, wo man ebenfalls im Vorbeigehen kurz in die Kaffeeküche reinschaut, ob dort potenzielle Gesprächspartner für einen schnellen Austausch sind. Damit dies auch für größere Organisationen funktioniert, gibt es natürlich diverse Gruppen-Funktionen z.B. Abteilungs-interne SPOTS o.ä.
Wie im richtigen Leben auch, wo sich oft kleinere Grüppchen bilden, aber jeder trotzdem mitbekommt, was gerade sonst noch im Raum passiert, gibt es innerhalb der SPOTS dann noch sogenannte BUBBLES. Nutzer können einfach von Bubble zu Bubble wechseln oder sich komplett aus dem Spot zurückziehe. Back to work eben. Jede Bubble hat neben Audio- und Video-Funktionen auch einen eigenen Text-Chat (inkl. Whiteboard!). Ein cooles Feature ist, dass man diese Watercooler-Chats einfach in einen „offiziellen“ Team-Chat übernehmen kann. Ganz wie im realen Leben auch, wo man eine begonnene Konversation über ein Thema (vielleicht die berühmte Serviette mit der neuen Idee) aus dem Pausenraum „zurück“ ins Büro nimmt.
Über eine Suchfunktion sieht man, wo sich Kollegen gerade (virtuell) aufhalten. Wiederum wie im echten Leben, wo man auch mit einem Blick durchs Großraumbüro sieht, wer gerade da oder eben nicht da ist. Ist das Gegenüber gerade busy oder in einem Meeting, wird auch dies angezeigt.
Die folgenden Screenshots zeigen die Umsetzung; der Beta-Status ist noch klar erkennbar.
Zoom Rooms Devices für Zoom Spot
Zoom macht sich auch Gedanken darüber, wie diese neue virtuelle Welt auch auf den Arbeitsplatz passt. Ein Lösungsvorschlag sind Zoom Companion Devices wie z.B. ein NEAT Frame . Damit erfolgt eine Trennung zwischen dem (persönlichen) Arbeitsplatz auf dem PC und dem „Fenster zur Welt“ in Form eines Zoom Device. Nicht nur für Zoom SPOTS, sondern natürlich auch für alle anderen Collaboration Tasks (Stichwort Zoom Meetings).
Dies ist ein signifikanter Unterschied zur Single Screen Experience auf dem persönlichen Desktop. Trotzdem sind die Kollegen nur einen kleinen Blick entfernt. Mit Sicherheit nicht die billigste, aber eine sehr konsequente Lösung.
Zoom verbindet die reale mit der virtuellen Welt
Aber sprachen wir nicht von der Lobby, von der Kaffeeküche? Diese gibt es im Hybrid Office weiterhin. Und genau hier kommen ZOOM ROOM Devices ins Spiel. Diese sind perfekte Hardware für solche Shared Spaces. Der Zoom Ansatz sieht vor, dass diese Geräte always-on sind und so das aktuelle Geschehen in die virtuelle Unternehmenswelt hinaustragen. Der (virtuelle) Zoom Spot heißt dann nicht nur „Kaffeeküche Floor 5“, sondern ist auch mit genau diesem realen Raum verbunden!
An Details wird sicher noch gearbeitet, denn mit einer ersten Kundenversion von Zoom SPOTS ist erst in ca. 6 Monaten zu rechnen. Zeit genug noch, an den Features, dem Look & Feel und an der Story zu arbeiten.
Zoom Whiteboard wächst und wächst.
Anfangs dachten Viele, dass Zoom Whiteboard eher ein MeeToo Produkt wäre, nachdem Microsoft mit dem MS Whiteboard rausgekommen war. Oder als kleine, einfache Alternative zu spezialisierten Whiteboard- und Annotation-Tools, welche als Zoom App von Drittanbietern verfügbar sind. Wie man sich täuschen kann! Zoom Whiteboard wächst und wächst. Praktisch jeden Monat kommen neue Features hinzu und überflügeln mittlerweile einige der etablierten Whiteboard-Produkte. Die Zoomtopia 2022 setzte eine weiteren Meilenstein.
Mein persönlicher Favorit ist die Möglichkeit, Zoom Chat Features an einzelne Whiteboard Objekte anzuheften! Damit erhalten Flowcharts, Mind Maps oder Post-It-Notes plötzlich eigene Micro-Chats oder Up/Down-Votings. Das ist ideal für die direkte Gegenüberstellung von zwei Varianten oder zur Dokumentation.
Und wir dachten, Whiteboards sind nur eine digitalisierte Version einer analogen Tafel an der Wand! Da geht noch viel mehr und Zoom zeigt es vor!
Auch wenn die dahinterliegende Technik nicht erklärt wurde, so drängt sich ein Vergleich mit Microsofts FLUID Components wirklich auf. Wie dort ist auch bei Zoom das Whiteboard ein Container für eigenständige Objekte, der in der Cloud liegt und somit per Link direkt in Emails eingebettet oder per Chat verschickt werden kann.
Um die Arbeit mit dem Zoom Whiteboard effektiver zu gestalten, stehen Templates zur Verfügung. Diese werden aber künftig nicht nur von Zoom kommen. Auch externe Entwickler sollen mittels Whiteboard SDK Templates zu den verschiedensten Themen und Aufgaben erstellen und anbieten können. Zoom baut einen eingebauten Marktplatz dafür.
Wirklich zukunftsweisend ist auch die Ankündigung, per SDK Daten von extern in Whiteboards zu bekommen bzw. auch wieder zurück. Was damit alles möglich sein wird, lässt sich aktuell noch gar nicht abschätzen. Zoom Whiteboard wird damit zu einer voll programmierbaren Visualisierungs-Maschine für beliebige Daten. Wirklich sehr spannend!
Video Innovationen bei Zoom Rooms
Beim Thema Zoom Rooms stand einmal mehr das Thema Meeting Equality im Vordergrund der Zoomtopia 2022. Per Smart Gallery sollen die Teilnehmer aus dem Zoom Room nicht nur als Gruppe jeweils winzig klein abgebildet werden, sondern wie schon beschrieben (z.B. hier Smarte Kameras im Meetingraum oder Smarte Kameras für Zoom Rooms) jeder Mensch seine eigene Videokachel bekommen. Soweit so bekannt.
Neu hingegen ist der Zoom Intelligent Director. Eine erste Beta soll noch heuer kommen, die Release dann im Jahr 2023. Der Clou? Anstatt nur einer einzigen Kamera sucht eine AI den besten Shot aus MEHREREN Kameras heraus! Die funktioniert anfangs nur auf Zoom Rooms unter Windows oder MacOS, dafür aber mit jeder USB-Kamera! Die Intelligenz liegt also beim Zoom Client und nicht in den Kameras.
Bitte achten Sie bei dem Bild auf die Dame mit den brünetten Haaren (unten in der Mitte). Sie blickt gar nicht in die Frontkamera, sondern sieht zur Seite. Daher wählt der Intelligent Director automatisch den Shot von der Seitenkamera. Zur info: In diesem Raum waren neben der Frontkamera beim Display noch zwei weitere Kameras installiert.
Der Intelligent Director wird aber auch mit Kameras arbeiten können, die vergleichbare Smart Features eingebaut haben. Zwei Beispiele dafür:
Logitech Sight
Beispiel 1 ist Logitech Sight, welches im Sommer 2023 lieferbar sein soll.
Sobald der Mann nach vorne auf das Display blickt, schaltet SIGHT von der zentralen Rundum-Kamera auf die RallyBar Kamera vorne um!
Eben weil die AI erkannt hat, dass nur diese Kamera das Gesicht frontal aufnehmen kann!
Ein Video sagt mehr als viele Worte:
Huddly Multi Camera
Ähnliche Ansätze verfolgt Huddly mit seinem Multi Camera Experience. Hier wurde die AI mit dem Input von professionellen Regisseuren trainiert. Das Ergebnis ist zumindest auf den ersten Blick signifikant natürlicher. Anstatt alle Teilnehmer nach Möglichkeit immer nur von vorne aufzunehmen, schaltet das Huddly System wie bei einer TV-Diskussion zwischen mehreren Shots. Alles wirkt sehr natürlich.
Multi Kamera Setup für Fortgeschrittene
Nun ist es ja oft nicht ganz so einfach, mehrere Kameras im Raum zu platzieren und zu verkabeln. Speziell wenn man die Limitierungen von USB-Strecken kennt. Anlässlich der Zoomtopia 2022 wurde nun eine sehr elegante Lösung vorgestellt. Companion Whiteboard, also ein zweites Room-Device, das gemeinsam mit dem primären System im Meeting ist, kennen wir auch schon von MS Teams.
Neu ist nun, dass Kameras, die in Whiteboard Devices eingebaut sind wie z. B. im Neat Board oder im Yealink Meetingboard einfach und automatisch als zusätzliche Kameras für den Intelligent Director zur Verfügung stehen! Womit zumindest eine zusätzliche Kameraperspektive für solche Räume zur Verfügung steht. Diese ist dann meist 90° quer zur Hauptrichtung und optimal für eine alternative Aufnahmerichtung.
Lebendigere Videolayouts
Künftig soll sich in Zoom Meetings das Videolayout dynamisch anpassen. Gerade aktive Sprecher oder Teilnehmer eines Dialogs werden künftig prominenter angezeigt, während passive in kleinere Videofenster verschoben werden. Ein ebenfalls sehr interessanter Ansatz, der die bisherige Suche beenden wird, aus welcher Videokacheln nun gerade gesprochen wird.
Dass Zoom das innovative FRONT ROW Layout von Microsoft Teams Rooms ebenfalls aufgreifen wird, war keine große Überraschung. Das Ergebnis kommt uns doch tatsächlich recht bekannt vor.
Interop mit Google Meet
Nachdem die Interop zwischen Cisco Webex und Google Meet schon einige Zeit lang funktioniert, zieht nun Zoom nach. Schon wenige Wochen nach der Zoomtopia 2022 startet die BETA und im Q1/2023 soll diese Funktion dann für alle Zoom Kunden verfügbar sein. Dann sieht Microsoft Teams nicht wirklich gut aus, wenn beide unmittelbare Mitbewerber eine Interop mit Google Meet vorweisen können, man selbst laut Aussage von Insidern aber noch immer nicht wirklich weitergekommen ist.
Und dann gab es in einem noch eine ganz unauffällige Bemerkung, die aber ein Vorbote für wirklich Großes sein könnte:
And we are working to build an even more native experience on CISCO devices!
Zoom Executive during Zoomtopia 2022
Was dies wohl bedeutet? Könnte es sein, dass nach Microsoft Teams Rooms (siehe hier ) bald auch Zoom Rooms nativ auf Cisco Collaboration Hardware läuft?? Das wäre der nächste Knalleffekt im Bereich der Emanzipation von Cisco Hardware. Nicht mehr Webex-only, sondern Multi-Plattform.
Ich bin sehr gespannt.
Zoomtopia 2022 Fazit
Wie angekündigt beschränkt sich dieser Blogpost auf die unmittelbar für Raumsysteme relevanten Funktionen. Zoom hat es wieder einmal geschafft, mit neuen Funktionen nicht nur die eigene Plattform weiterzuentwickeln, sondern legt in manchen Bereichen die Latte für alle wieder ein Stückchen höher. Den Kunden kann dies nur Recht sein, denn in den allermeisten Fällen stehen die Zusatzfunktionen zum unveränderten Preis zur Verfügung. In anderen Worten: Man bekommt immer mehr fürs gleiche Geld.
Andererseits erhöht die immer umfangreichere Funktionsvielfalt den Bedarf an Enduser-Training und Consulting für die Verantwortlichen. Für Beides stehe ich als Ihr Ansprechpartner zur Verfügung, aber das wissen Sie ja bereits, oder?