Back to office ist in aller Munde. Viele Unternehmen wollen angesichts nicht einmal halbvoller Büroflächen in bester Lage die Mitarbeiter wieder verstärkt zur Arbeit im Office motivieren, die vorhandenen Flächen auch (wieder) nutzen. Aber wollen das auch die Mitarbeiter? Dieser Blogpost soll ein paar Fakten zum Thema neue Arbeitswelt liefern.
Im Gegensatz zu vielen anderen Artikeln hier aber einmal ganz ohne New Work Weichspüler oder allzu blumigen Purpose-Diskussion. Betrachten wir gemeinsam einmal das andere Ende des Themas. Schließlich geht es auch um Hard Facts wie Investitionen, ROI (Return of Investment) und damit um die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zum Mitbewerb. Denn welchen Sinn stiftet die beste Organisation mit den schönsten Büros, wenn das Unternehmen nicht nachhaltig erfolgreich ist?
Flächenbedarf im traditionellen Büro
Es steht außer Streit, dass abgesehen von ganz wenigen komplett virtuellen Firmen Unternehmen auch künftig Büroflächen benötigen werden. Aber sowohl die Qualität als auch die Quantität ändert sich gerade massiv.
Zum Einstieg nachfolgend einige Zahlen:
Europäische Office-Consulter wie z.B. die Spezialisten von Gnesda Real Estate & Consulting planten früher für je 100 Mitarbeiter ca. 2000 Quadratmeter (= ca. 21500 square feet) an Fläche ein, also 20m² pro Mitarbeiter. Weiters ging man von 100% Belegung aus, d.h. für jeden Mitarbeiter wurde ein eigener Schreibtisch verplant. Abwesenheiten aufgrund von Urlauben, Dienstreisen, Krankenständen oder auch teilweises Homeoffice wurden nicht extra berücksichtigt. Wer da ist, sitzt auf seinem zugewiesenen Platz und wer nicht da ist, dessen Platz bleibt eben leer. 100 Mitarbeiter benötigen 100 Schreibtische, so einfach war das.
Diese Personal Spaces verbrauchten wiederum 70-80% der Gesamtfläche des Office, die verbleibenden 20-30% standen für Shared Spaces zur Verfügung. Dazu zählen Meetingräume jeglicher Art ebenso wie auch Sozialräume, Teeküchen u.ä.
Flächenaufteilung im New Work Office
Neue Arbeitswelten verändern die Nutzung des Büros gleich mehrfach. Es ist daher nur logisch, dass sich auch die Flächenverhältnisse ändern.
- Wenn die Mitarbeiter im Office sind, nutzen sie EINEN Schreibtisch; dieser muss aber nicht mehr IHR Schreibtisch sein. Trotz sogenanntem Desk-Sharing müssen natürlich trotzdem ausreichend viele Arbeitsplätze vorhanden sein für jene Mitarbeiter, welche heute ins Office kommen.
Herausforderung #1: Wie viele Arbeitsplätze brauche ich und kann bzw. will ich hier passiv zusehen oder vielleicht aktiv steuern? - Da das klassische Desk-Setup mittlerweile auch in vielen Homeoffices vorhanden ist, (oft sogar in besserer Ausstattung!) ist ein Standard-Schreibtisch nur mehr wenig Motivation für die Reise ins Office. Das moderne Büro bietet daher unterschiedliche Räume und Arbeitsplatz-Typen für den jeweiligen Task. In einer Auswahl und Qualität, die es eben im heimischen Arbeitszimmer nicht gibt.
Herausforderung #2: Welche Arten von Arbeitsplätzen brauche ich und jeweils wieviel davon? - Stichwort Qualität: Es ist kein großes Geheimnis, dass Büro-Schreibtische billig sind. Auch wenn es Büromöbel-Verkäufer vielleicht nicht gerne hören, so sind ihre Produkte doch sehr vergleichbar, der daraus folgende scharfe Wettbewerb führt zu niedrigen Preisen.
Im Gegensatz dazu sind moderne Office-Landschaften ungleich teurer. Von der Planung, über die Beschaffung bis hin zur Pflege müssen Organisationen deutlich höhere Kosten pro Quadratmeter einkalkulieren.
Herausforderung #3: Wie rechtfertigt man die Mehrkosten der schönen neuen Arbeitswelten?
Harte Zahlen & Fakten zum Thema neue Arbeitswelt
Auch für das New Work Office gibt es mittlerweile Erfahrungswerte.
Die Spezialisten planen aktuell in unseren Breiten pro 100 Mitarbeiter einen Flächenbedarf von ca. 1300 Quadratmeter (14000 square feet) mit ca. 50 Arbeitsplätzen (Personal Spaces). Dies ergibt also 26 Quadratmeter pro Arbeitsplatz. Der Vergleich ergibt ein paar hochinteressante Fakten:
- Die Gesamtfläche für den Bereich Arbeitsplatz sinkt signifikant. Flächenreduktionen im Bereich 35-40% sind keine Seltenheit.
- Man kalkuliert mit nur mehr 50-60 klassischen Einzelarbeitsplätzen pro 100 Mitarbeiter. Also grob eine Halbierung der Personal Spaces!
- Die Fläche pro Arbeitsplatz steigt signifikant. Steigerungen von 25-30% sind üblich. Im Gegenzug kommen aber deutlich weniger Personen ins Büro im Vergleich zu früher.
- Die schöne New World of Work kostet richtig viel Geld! Projekte, wo man mit dem doppelten bis dreifachen (!) Preis je Quadratmeter im Vergleich zur alten Schreibtisch-Wüste kalkuliert, sind keine Seltenheit!
- Das Verhältnis Personal Spaces <-> Shared Spaces kehrt sich um!
Waren es vorher ca. 30% Shared Spaces so nehmen diese nun ca. 70% ein und nur mehr 30% der Fläche dienen der konzentrierten Einzelarbeit im Personal Space!
Zusammenfassung: Das Office transformiert sich zur Collaborations-Fläche!
Von der Schreibtischwüste zum Experience Center
Und was machen wir mit den nun freigewordenen Flächen, die aufgrund der 35-40% Reduktion nun scheinbar leer stehen?
Immobilien-Projekte sind zwar selten kurzfristig, aber einige Trends sind schon klar zu erkennen:
- Fast alle Unternehmen verkleinern Ihre Flächen in absoluten Zahlen. Vielleicht nicht alle gleich um satte 40% aber Erweiterung findet praktisch nicht statt.
Viele Vermieter rechnen auch gar nicht mehr damit, alle Flächen wieder als Office vermarkten zu können! In vielen Städten laufen Projekte zur Umwandlung von Büro- in Wohnraum.
Interessanter Nebeneffekt: Arbeitsplatz und Wohnung rücken wieder näher zusammen. Aus städtebaulicher Sicht eine durchaus interessante Entwicklung. - Unternehmen investieren in sogenannte Experience-Center. Nach mehreren Jahren im Home-Office und verteilten Teams ohne feste „Heimat“ haben Viele die „emotionale“ Verbindung zum Unternehmen verloren. Wie sollen Remote-Arbeitskräfte auch die Unternehmenskultur fühlen und spüren, das eigene Produkt verstehen, den „Stallgeruch“ wahrnehmen, wenn der Arbeitgeber nur auf dem PC-Schirm existiert? Gleiches gilt für die Kunden und Lieferanten!
Für alle diese Gruppen bauen viele Unternehmen unter dem Titel „Experience Center“ eine Mischung aus permanentem Messestand, offenem Büro und Konferenz-Zentrum, einen Ort der Begegnung. Einen Ort, wo Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten auf einen Blick den Unternehmenszweck erkennen und verstehen können, den Sinn des Unternehmens.
Und da ist er doch noch, der PURPOSE, von dem aktuell so viel die Rede ist.
Ein späterer Blogpost wird sich dem Thema Experience Center im Detail widmen. - Durch die dynamische Nutzung der Flächen ist ein aktives Management zwingend nötig. Die Relevanz und das Aufgabengebiet der früher eher im Hintergrund agierenden Abteilung Facility Services & Management vervielfacht sich! In einem permanenten Prozess der Veränderung, der Adaptierung, des Fine-Tunings wird ein bestmögliches Arbeitsumfeld errichtet und laufend optimiert. Ganz im Stile eines AGILEN Prozesses.
Das Unternehmen wird zum Gastgeber, zum Host. nicht nur für Kunden und Lieferanten, sondern auch für die eigenen Mitarbeiter.
Nicht umsonst nennt man diese Entwicklung auch OFFICE HOTELING.
Und wie organisieren wir das alles?
Auch wenn uns so manche New-Work-Gurus von Harmonie und Selbstorganisation vorschwärmen, so zeigt die Erfahrung, dass Shared Desk Konzepte im Kleinen sowie das Office als Experience Center im Großen nur dann wirklich effektiv (und gleichzeitig bezahlbar!) sein kann, wenn es mit aktivem Management verwaltet wird.
Nur eine von mehreren Fakten zum Thema neue Arbeitswelt. Vergleichen wir doch gemeinsam:
- Niemand hat ernsthaft die Erwartungshaltung, dass ein Hotel zu jeder Zeit in jeder Kategorie viele leere Zimmer frei hat, einen konkurrenzfähigen Preis bietet und trotzdem wirtschaftlich ist.
- Ein Restaurant, welches nicht intensiv an der bestmöglichen Auslastung seiner Tische arbeitet, wird wirtschaftlich scheitern. Leere Tische kosten Geld!
- Eine Fluglinie, die nicht vorher Tickets aktiv verkauft, sondern passiv darauf wartet, dass Leute am Gate erscheinen? Und dann darauf hoffen, dass alle in den Flieger passen?
Das ist irgendwie schwer vorstellbar, finden Sie nicht auch?
Warum also sollte es gerade im Office anders sein, wo doch die Aufgabenstellung exakt die gleiche ist? Da wie dort wollen wir dem Nutzer die gewünschte Ressource in bester Qualität zum besten Preis bereitstellen. Sonst ist entweder der Kunde unzufrieden oder der Anbieter verliert im Wettbewerb gegen jene, die es besser und/oder billiger machen.
Diese Fakten zum Thema neue Arbeitswelt mögen für manche eine unbequeme Vorstellung sein, doch kann und will ich keine Illusionen aufkommen lassen. Genauso wie perfekte Backoffice-Systeme und Prozesse zum wirtschaftlich erfolgreichen Betrieb eines Hotels gehören, so benötigt auch das New Work Office eine ordentliche Portion Workplace Technology. Extern gerichtete, die für die Gäste, hier also Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten bestimmt sind wie z.B. Raum- und Desk-Buchungs-Software. Aber auch interne Systeme für den reibungslosen Betrieb im Backoffice. Dazu zählen z.B. Sensoren zur Erfassung der Nutzung und Auslastung oder auch Remote-Monitoring-Systeme zur proaktiven Wartung inklusive einer ordentlichen Portion Analytics zur Vorausplanung und Erkennung von Trends.
Geht es auch ohne diese Technik, also in Selbstverwaltung, weil sich die Teams das alles selbst organisieren? Weil hoffentlich ohnehin immer irgendwo ein Platz frei sein wird? Weil die Mitarbeiter nachsichtig sein werden?
Sorry, aber daran glaube ich nicht!
Jedes Unternehmen steht gleich mehrfach im Wettbewerb. Im Kampf um die besten Nachwuchs-Talente ( Lesetipp: War for Talent), die ungleich höhere Ansprüche an ihre Arbeitgeber haben. Aber auch im Wettbewerb um niedrigste Kosten für vergleichbare Leistung. Energie- und Betriebskosten sind nicht nur aus Umweltschutzgründen relevant. Das Office ist ein Produkt und es gelten die Gesetze des Marktes. Klingt vielleicht ein wenig übertrieben, aber ist es das wirklich?
Das Office ist die Wissensfabrik des 21. Jahrhunderts. Wie in jeder anderen Fabrik sind auch hier Effizienz und Effektivität unmittelbare Erfolgskriterien. Intelligenter Einsatz von Workplace Technology bringt einen klaren Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen und ist ein wesentlicher Baustein für Mitarbeiterzufriedenheit.
Harald Steindl
In nachfolgenden Blogposts werden wir uns den einzelnen Komponenten im Backoffice eines dynamischen New Work Offices widmen. An dieser Stelle eine Einladung zur ausführlichen Blogpost-Serie 10 Fragen des Raummanagements, die selbst nach 7 Jahren noch konstant hohe Zugriffsraten aufweist. Danke!
Konkrete Beispiele aus der Projektpraxis sowie Fakten zum Thema neue Arbeitswelt bringen Ihnen hoffentlich einen unmittelbaren Mehrwert. Ich freue mich auf Ihre Kommentare und auf Ihre Anfragen.