Eine kürzlich durchgeführte Befragung hunderter CIOs und IT-Verantwortlicher diverser höherer Bildungseinrichtungen fasste die Top 5 CIO-Prioritäten von Bildungseinrichtungen zusammen.
Grundlegendes
- 94% Zustimmung/starke Zustimmung bei den über 400 Teilnehmern, dass „digitale Lehrunterlagen das Lernen für Schüler/Studenten effizienter und effektiver“ macht.
- 87% Zustimmung/starke Zustimmung für „Digitale Kursunterlagen ermöglichen personalisierteres und ergiebigeres Lernen als gedruckte Skripten“
- 96% Zustimmung/starke Zustimmung für „Adaptive Lerntechnologien haben großes Potential bei der Ergebnisverbesserung für die Studenten“
Aktueller Status
Nur 10% machten aber zum Zeitpunkt der Studie Gebrauch von diesen „digitalen“ Medien und nur fast vernachlässigbare 4% verwenden adaptive Technologien.
Nur ein Fünftel, also 20% haben bereits ein sogenanntes LMS (Learning Managment System = Lernplattform )
Kenneth C. Green, Initiator dieser jährlich durchgeführten Studie kommentiert die scheinbar ewige LMS-Diskussion so: „Auch nach mehr als 15 Jahren, so lange beschäftigen sich manche Unis schon mit dem Thema, ist die Frage ob ein LMS nur eine unterstützende Plattform für die Lehre ist oder ob ein LMS in der Tat Vorteile in Sachen Lernergebnis bringt, noch immer offen.“
Vergleicht man das nun mit der offensichtlich festen Überzeugung der schon oben genannten 96% (!), die fest an eine Verbesserung glauben aber von denen die Mehrzahl es noch nicht einmal selbst probiert hat, dann erkennt man die Brisanz des Themas uns versteht auch, warum so mancher Uni-CIO Horrorgeschichten (oder soll ich lieber Anekdoten) zum Thema Moodle & Co erzählen kann.
OER oder das Ende des Schulbuches?
Der Begriff OER steht für Open Educational Resource bzw. Open Source Textbook und bezeichnet die Publikation von Lern- und Lehrmaterialien mit einer offenen Lizenz. (Siehe auch Open Content)
Satte 81% der Befragten sind überzeugt, dass OER Formate in den nächsten fünf Jahren eine wichtige Unterlagenquelle sein werden. Aber auch hier zeigt die Realität, dass zwar nur 6% schon jetzt OER verwenden; immerhin gibt es bei mehr als 38% eine klare Empfehlung an das Lehrpersonal OERs einzusetzen. Nur ein Jahr früher war dieser Wert bei 33%, es passiert also etwas in diesem Bereich.
CIO-Prioritäten von Bildungseinrichtungen
Was sind nun schlußendlich die Top 5?
- Wichtigste Aufgabe mit 80% ist die Hilfestellung bei der Integration von Informationstechnologie in den Lehrbetrieb. Ja, meine lieben Audio/Video-Kollegen, da ist auch eine gehörige Portion Medientechnik dabei!
- Finden und Halten von qualifiziertem IT-Personal ist mit 78% unglaublich hoch, wobei 26% sogar Personalreduktionen und immerhin 18% Rückgänge bei Schulungen/Trainingsbudget vermelden. Im Bereich Personal sehen CIOs also massive Herausforderungen.
- Ebenfalls 78% halten den User Support bestehender Technologien für eine hohe Priorität in den nächsten 2-3 Jahren. Dieser Wert ist nicht zuletzt deshalb so hoch, weil die Selbsteinschätzung der Befragten in Sachen User-Training denkbar schlecht ausfällt. Nur ein Fünftel glaubt hier, einen guten Job zu machen und sieht der Verbesserungspotential und noch viel wichtiger Verbesserungsbedarf!
- Netzwerk- und Datensicherheit folgt mit 76% ganz dicht dahinter. Die jüngsten Entwicklungen. Immerhin litten ca. 50% im vergangenen Jahr unter signifikaten Hacking-Angriffen, 50% erhöhte Budgets für Sicherheits-Systeme sind die unmittelbare Folge.
- Drei Viertel (exakt 74%) halten den „Nutzen von IT-Ressourcen für die Unterstützung der Studenten“ für sehr wichtig. Hier erlaube ich mir anzumerken, dass die Fragestellung extrem offen ist, also jeder Befragte wahrscheinlich seine eigene Interpretation finden wird.
Nachfolgend die Originalgrafik aus der Studie:
Zusammenfassung und persönliche Bewertung
Personal
Die Ergebnisse bergen jedoch, obwohl durchaus im Rahmen der Erwartungen, einigen Zündstoff. So ist das Finden und Halten von geeignetem IT-Personal einer der Top-Prioritäten, andererseits beklagen satte drei Viertel (!) der Befragten, dass die gebotenen Gehälter und Zusatzleistungen NICHT konkurrenzfähig sind zum freien Markt außerhalb des Bildungssektors! An dieser Stelle erlaube ich mir anzumerken, dass die Situation in Österreich meiner persönlichen Erfahrung nach exakt gleich ist! Auch wenn ich nicht gern pessimistisch bin, so glaube ich doch, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht!
Das Finden und Halten von geeignetem Personal ist aufgrund der bestehenden Entlohnungsunterschiede zwischen Bildungsreinrichtungen und dem Rest der Wirtschaft zunehmend ein Problem.
Services statt Hardware
Die Ergebnisse zeigen ein klares Bild. Wie schreibt die Studie so schön? Die Prioriäten konzentrieren sich auf „Sachen, die wir machen“ und weniger auf „Sachen, die wir kaufen“. Also ein klarer Focus auf SERVICES (9 der 10 Top Prioritäten!) anstatt Investitionen in Hardware! Beispielsweise sind die Punkte „Upgrade des Campus Netzwerkes“ und „Austauschen veralteter Netzwerk-Komponenten“ nur auf den Rängen 11 und 12!
Zur Wiederholung bzw. Verdeutlichung: Ca. 50% auf der Skala bedeuten also, dass sich die wichtig/sehr wichtig Angaben und die total unwichtig/unwichtig Nennungen in etwa die Waage halten. Vielen Befragten ist es laut eigener Aussage absolut bewusst, dass sie die schon bestehende Hardware derzeit nicht genügend oder nicht optimal ausnutzen und daher bei Neuanschaffungen zurückhaltend sind.
An alle Netzwerk-Anbieter: Sorry, das sind keine good news für Euch!
Die zunehmende Fokussierung auf Services auf Kosten der Hardwarebudgets sollte ein Warnsignal für klassische Hardware-Anbieter sein.
Die Cloud kann warten
Ähnlich verhält es sich mit der Migration in Richtung Cloud, dass es gerade noch in die Top 15 schafft. Hier scheint es so, als ob die CIOs nicht sonderlich traurig sind, dass sich das Management bei so wichtigen Fragen wie Datensicherheit u.ä. noch keine klare Meinung gebildet hat. Es scheint also, dass die CIOs hier keinen großen Druck machen, Cloudmigrationen zu forcieren. Mein persönlicher Kommentar: Wenn die Personalschwierigkeiten weiter zunehmen, bleibt ihnen vielleicht aber gar nichts anderes übrig, also großzügig in Outsourcing und Cloud zu investieren. Speziell im Education Umfeld mit den schon angesprochenen geringen Gehältern ist aber hier keineswegs davon auszugehen, dass „die Cloud doch ach so billig ist“. Finanzabteilungen könnten inden nächsten Jahren hier eine große Überraschung erleben.
Die vorteilhafte Kostenstruktur vieler Bildungseinrichtungen und die Diskussionen zum Thema Datensicherheit bremsen den Umstieg auf cloudbasierte Lösungen.
Zusammenfassung
Obowohl diese Studie ausschließlich Bildungseinrichtungen in den USA befragte, kann meiner Meinung nach sehr viel für den DACH-Raum übernommen werden. Die Herausforderungen und CIO-Prioritäten von Bildungseinrichtungen ähneln sich enorm und auch die Herangehensweise ist durchaus vergleichbar. Auf die Fachhochschulen und Universitäten kommen spannende Jahre zu, der Bedarf an externem Input wird massiv zunehmen, denn die geschilderten Aufgabenstellungen und zu lösenden Probleme sind keineswegs solche, welche nur Bildungseinrichtungen betreffen.
Ausblick
Wenn Sie sich fragen, warum diese Art von Information gerade auf meinem Blog erscheint, so kann ich schon ankündigen, dass ich auch in Zukunft regelmäßig Zusammenfassungen von Berichten, Konferenzen oder Untersuchungen posten werde. Immer wieder wird darüber gesprochen, wie wenig Daten und Fakten in unserer Branche eigentlich vorhanden sind. Ich stimme dieser Meinung überhaupt nicht zu, bin aber der Ansicht, dass viele „Perlen“ sehr gut versteckt sind. Diese versteckten Schätze zu heben, hier auszugsweise zu publizieren und Links auf die Originale anzugeben, wird künftig ein wesentlicher Teil dieses Blogs sein.
Links und Quellenangaben
Die hier vorgestellten Daten stammen aus der 2015 Campus Competing Survey des US-amerikanischen Campus Computing Projects) .
Die Präsentation der Daten fand im Rahmen eines Webinars statt, welches online verfügbar ist. Link zum Webinar Top Priorities for 2016 – IT Issues, Challenges, and Opportunities.
Wie immer danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich über Kommentare und Social Sharing.